Immer Anfang Juli, im Rahmen des Stadtsommerfests, lädt der wohl größte Wollladen Finnlands Titityy zum Stelldichein der Garnverrückten. Auf dem Festivalgelände des Toivolan Vanha Piha am Rande der Innenstadt Jyväskyläs, wird dann fünf Tage lange Garn gekauft, Strickklassen besucht und gemeinsam bei einem gemütlichen Getränk die Nadeln an (sehr) lauen Sommerabende zum Glühen gebracht.
Das Neulefestarit in Mittelfinnland soll mein erster Event dieser Art sein, dachte ich mir als ich schon im Winter auf die Veranstaltung stieß. Seit ich Ende 2017 das Stricken wieder neu erlernt habe, gerate ich immer tiefer in den Sog zwischen, Maschen, Mustern und Wollknäulen. Besonders die Finnen gelten als die wohl versiertesten Stricker der Welt. Hier ist es kein Omahobby oder gar peinlich. Gestricktes ist hier essentiell!


So wundert es nicht, dass der Innenhof des alten Holzhausensembles gesprickt mit jungen Leuten ist, die bei sommerlichen Beats vom DJ und einem Aperol Spritz auf den Bänken sitzen, ihre Strick- und Häkelprojekte auf der Stoß bearbeiten und dabei regen Austausch betreiben. Der erste Eindruck als ich am Donnerstag – dem ersten Festivaltag – auf das „Gelände“ kam, hatte ich nicht erwartet. Schließlich stöberten schon etliche, meist weibliche Besucher mit ihren natürlich tw. selbst gemachten Outfits durch den Wollladen im Viertel, der das Festival ausrichtet.
Es geht hier nicht nur um Wolle
Das Team des Wollladen Titityy organisiert das Strickfest bereits zum wiederholtem mal. Betritt man die antiken Stiegen des Shops, knarzt es herrlich rustikal. Ein wohliges Gefühl kommt auf. In den rund fünf Räumen des alten Holzhauses warten Hunderte wenn nicht sogar Tausende von Wollsträngen unabhängiger Garnfärber aus der ganzen Welt genauso auf die zukünftigen Besitzer, wie die vom Laden selbst kreierte Garnserie aus finnischer Schafswolle. Hier trifft sich an den Displaystangen das Who-is-Who der Garngilde. Titityy – (fin. Tweet) so der Name des Ladens – bringt so die kunterbunte Welt der Stränge nach Finnland mit dem wohl exklusivsten Wollonlineshop, der sich an das Ladengeschäft angliedert.





Dem noch nicht genug! Während der Festivalzeit gastierte im Innenhof ein Wollmarkt, mit Wollen von finnischen und ausländischen unabhängigen Garnproduzenten. Klar ist hier, man legt wert auf Qualität, Tierschutz und Kreativität. In ausgiebigen Gesprächen mit den Kunden können die Hersteller und Färber den Grundstein für so manches Strickprojekt legen.
Doch die Veranstaltung dient nicht nur dazu Kunden für den Absatz zu gewinnen. Nein! Schon im Vorfeld veröffentlichte Inhaberin Tiina Huhtaniemi ein Stickmuster für einen Schal, der bezeichnenderweise „Live in peace“ benannt wurde. Das schließlich auch zum Motto der Veranstaltung wurde. Seit längerem geht in der Strickgemeinde der Ruf nach mehr Gleichberechtigung um – Hautfarbe, Geschlecht, sexuelle Orientierung ist ja kein Kriterium dafür, ob man eine Masche stricken kann ;)


Den Schal habe ich natürlich auch mitgestrickt und ihn auch gut leiden können, dann während der ersten Tage im Juli waren es ideale Temperaturen um Knitwear zu tragen und zu produzieren (wenn man es positiv sieht).
Klasse!
Eigentlich fühle ich mich immer noch als blutigen Anfänger, wenn es ums Stricken geht. Es ist auch etwas peinlich, wenn man zu geben muss, dass die Strickweste gekauft ist.
Ein Teil des Strickfests bestand aus Klassen, die von renommierten internationalen Designern abgehalten wurden. Da ich gerne einmal einen Top Down Yoke Pullover stricken möchte, ihr vielleicht sogar nächstes mal tragen will, ergriff ich die Chance am Schopf und lernte bei der „Färöer-Pullover“-Queen Jenn Steingass aus Main, USA, wie einfach es doch sein kann, das zweifarbige Oberteil zu kreieren. Ein paar gute Kniffe gab sie uns dabei an die Hand. Toll!

Jeder gehört dazu – zu Land und zu Wasser
Das Publikum ist bunt gemischt so wie das Garn das durch die Finger rutscht. Wenn man, wie ich, alleine auf dem Festival ist, muss man nicht befürchten ausgegrenzt zu werden. Spätestens an den Abenden, wenn sich alle gemütlich niederlassen hat man schnell Gesprächspartner gefunden. Das Thema liegt ja auf der Hand: Was strickst du? Aus welchem Garn? Wo her bist du?… Von links und rechts wird gequatscht, gefragt, geholfen, gelacht. Nicht nur die Maschen klimpern also fröhlich über die Nadeln. Geselligkeit für jeden der mag, ist also angesagt. Übrigens, das Fest kostet keinen Eintritt. Jeder kann teilnehmen.



Eines der Highlights – hierfür brauchte man aber ein Ticket – war für den Freitagabend vorbehalten. Wer die Finnen kennt, an irgendeinem Punkt kommt immer entweder eine Sauna oder ein Boot zum Einsatz. Stricken in der Sauna? Nein, nein, zweiteres, besser gesagt, die M/S Rhea schipperte rund 80 Stricker und Designer über den Päijänne. Bei einem leckere Menü, inspirierenden Lebensgeschichten der Designer und launigen Gesprächen mit den Tischnachbarn, ging der Knit Cruise in einen ausgelassenen Abend über.




Mein erster Besuch in dieser neuen Welt, war unglaublich inspirierend. Das schöne Miteinander, die positive Stimmung und all die kreativen Arbeiten, die hier gezeigt und am entstehen waren. Da wird man schon gern philosophisch und würde sich wünschen, dass so mancher seine Energie lieber in diese kleinen Kunstwerke stecken sollte, als Unfug zu verbreiten.
Wer selbst von euch gerne Handarbeitet und Wolle mag, dem sag ich gerne nächstes Jahr in Jyväskylä „Hallo!“ Wie steht es bei euch? Habt ihr schon mal in Finnland gestrickt? ;)
