Nightwish’s Neue: „Endless Forms Most Beautiful“

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Da freue ich mich tierisch, denn dies ist der erste Beitrag eines Gastautors, denn Julia und Matthias von finndividualist.eu – die ein ganz tolles Finnland-Reise-Blog ihr Eigen nennen – und ich tauschen heute Artikel. So findet ihr dort meinen Reiseführer-Check: „Helsinki und Finnland: Welcher Reiseführer passt zu dir?“ Im Gegenzug legt Matthias mächtig was ins Feuer und bespricht die neue, coole Scheibe von Nightwish „Endless Forms Most Beautiful“. In diesem Sinne gebe ich die Bühne frei und sage: „Kiiti vaan, Matthias! Perkele!


 

Ich mag Musik, ich mag Naturwissenschaften und ich mag es, mich in die Natur zurückzuziehen und Gedanken über das Leben nachzuhängen. Als wäre es abgesprochen, haben sich Nightwish scheinbar zum Ziel gesetzt, diese Dinge in ihrem achten Studioalbum „Endless Forms Most Beautiful“ zu vereinen.

Wenn’s um Musik aus Finnland geht, kommt man um Nightwish – alseiner der erfolgreichsten Bands national und international – nicht mehr herum, ob man will oder nicht :) Mir ist das Recht. Seit ich die Band im Jahr 2000 mit dem Album „Wishmaster“ entdeckt habe, ist jedes neue Album ein willkommener Zuwachs in meiner Musiksammlung.

Aber was kann die neueste Veröffentlichung?

Schon der Titel des Albums „Endless Forms Most Beautiful“, ein Zitat aus Charles Darwins „Origin of Species“, verrät: Das grundlegende Konzept für dieses Album ist die Faszination für die Naturwissenschaften und die Entstehung & Evolution des Lebens. Natürlich mit der Musik umgesetzt, die man von Nightwish gewohnt ist. Überraschungen gibt’s keine. Egal, ob man das nun einfach als den bandeigenen Stil oder als bewusste Wiederholung von erfolgreichen Formeln sieht: Die Kombination aus Metal, Orchester und Chören bietet auf „Endless Forms Most Beautiful“ alles, was die bisherige „Evolution“ von Nightwishs Musik in den letzten Jahren hervorgebracht hat: ausgefeiltes Songwriting, schöne und eingängige Melodien, oft eine gehörige Portion Kitsch und dann wieder einfach pure Fettheit.

So hat das Album durchaus seine Höhepunkte. Der Opener „Shudder Before The Beautiful“ ist einer der stärksten Songs des Albums und klingt als Mischung zwischen „Dark Chest of Wonders“ („Once“) und „Stargazers“ („Oceanborn“) kräftig und frisch. „Our Decades In The Sun“ ist für mich die bisher beste Ballade der Band. Das folkige „My Walden“ und das eingängige „Alpenglow“ sind Würmer, die man gerne ins Ohr lässt.  Eher schwach dagegen finde ich diesmal die aggressiveren Songs des Albums: „Weak Fantasy“, „Yours Is An Empty Hope“ und den Titelsong. Die klingen zu bemüht, sperrig und irgendwie penetrant.

Eine besondere Gastrolle nimmt der britische Wissenschafter und Autor Richard Dawkins ganz zu Beginn und im 24-minütigen Epos „The Greatest Show On Earth“ ein. Dawkins ist für mich schon lange ein Autor, der Wissenschaft und deren Faszination auf beeindruckende Art und Weise zu vermitteln versteht. Abgesehen davon spricht er ein wunderschönes Englisch.

Dieser Gastauftritt ist daher einerseits eine super Sache, andererseits schlecht für den Rest den Albums. Denn leider verblassen die Songtexte im Vergleich zu den von Dawkins gesprochenen Passagen.

Dass die Nightwish-Alben seit „Dark Passion Play“ (2007) als Doppel-CD mit einer Instrumental-Version veröffentlicht wurden, war für mich immer ein nettes Gimmick. (Vielleicht um die bei der Stange zu halten, die immer noch dem Rausschmiss von Sängerin Tarja Turunen nachtrauern?)

Aber im Fall von „Endless Forms Most Beautiful“ finde ich die instrumentale Version bei weitem ansprechender und in sich stimmiger. Nicht, weil ich mir eine irgendeine Sängerin zurückwünsche. (Ich finde es bei diesem Album höchstens schade, dass Bassist & Sänger Marco Hietala – für mich eine der besten Stimmen im Rock- und Metalbereich – gesanglich sehr im Hintergrund steht. Aber wo wir schon beim Personal sind: Ich, als Schlagzeuger, finde den Neuzugang am Set, Kai Hahto, einen coolen Typ, der auch einen etwas anderen Stil als sein Vorgänger einbringt.)

Sondern weil die Songs für mich instrumental schon vielschichtig genug sind, dass die Musik für sich alleine stehen kann. Nur selten entsteht der Eindruck, dass hier noch Gesang und Texte fehlen würden. Gesangs- und Orchestermelodien verlaufen überhaupt oft einfach parallel, was dann besonders unnötig wirkt.

Aber fast noch entscheidender: die Songtexte. Sie werden für mich einfach nicht den Themen gerecht, um die sie sich drehen. Die Latte dafür liegt ja mit den verarbeiteten Themen entsprechend hoch, keine Frage. Wie kann man denn schon die unermessliche Faszination des Universums in Worte fassen? Oder die Schönheit der Entstehung des Lebens und der Tatsache, dass alle Lebewesen auf diesem Planeten auf gemeinsame Vorfahren zurückzuverfolgen sind? Oder die Ehrfurcht vor der Vergänglichkeit von allem? Sicher nicht mit billigen Reimen wie „Close your eyes and take a peek / The truth is easy to see“ und holprigen Texten wie „[man] gave birth to poetry / But one day’ll cease to be / Greet the last light of the library“.

Die gesprochenen Texte von Dawkins selbst und Charles Darwin schaffen da
s in ihrem Klang, ihrem Sprachfluss und in ihrer Wortwahl in wenigen Sätzen um Lichtjahre besser als die restlichen Lyrics des  Albums.

Fazit

„Endless Forms Most Beautiful“ ist ein Nightwish-Album in gewohnt super Produktion mit deutlichen Schwächen, aber auch beeindruckenden Höhepunkten. Trotz des vielversprechenden Konzepts kommt mir beim Hören der „Vollversion“ leider nicht das Gefühl des „Shudder Before The Beautiful“ auf. Ohne Ablenkung durch mittelmäßige Texte ist dafür die Instrumentalversion ein passender Soundtrack um in der nächsten sternenklaren Nacht unter freiem Himmel das eigene Kopfkino spielen zu lassen.