Anne-Mari Kivimäki: „Frau Doktor, ihr Akkordeon!“

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Anne-Mari ist mit PUHTI vom 3.-5.10.2016 in Deutschland auf Tour!

Karelien nach dem zweiten Weltkrieg ist heute eine Geschichte von Leid und Vertreibung. Der Landstrich Suistamo war davon auch betroffen und die Finnen mussten ihre Heimat verlassen. Anne-Mari Kivimäki stieß während ihrer Doktorarbeit an der Sibelius Akademie auf eine Reihe von Werken, die sie gemeinsam mit anderen Künstlern aufarbeitete. Dabei entstand nicht nur eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den Lieder und Geschichten für ihre Abschlussarbeit, sondern auch ihr Solo-Album „Lakkautettu Kylä“. Auch in anderen Projekten findet sich der Einfluss von Suistamo wieder. Anne-Mari verrät in einem kurzen Interview ein bisschen was über sich, ihr Instrument – das Akkordeon – und die interessante Reise in Finnlands Geschichte auf musikalische Weiße.

Dein Instrument ist das Akkordeon. Wann hast du dich in das eher „untypische“ Musikinstrument verliebt? Oder hast du mit etwas anderem angefangen – Gitarre vielleicht?

Anne-Mari: Akkordeon ist ein sehr populäres Instrument in Finnland. Viele Kinder lernen es hier. Ich war fünf Jahre alt als ich mit Piano begann und mit neun wollte ich dann Akkordeon lernen. Zu erst fünfreihig, dann mit 14 Jahren zweireihig.

Du hast erst vor kurzem deine Doktorarbeit an der Sibelius Akademie beendet. Herzlichen Glückwunsch! Auf welche Art Musik hast du dich während deiner Studienzeit konzentriert?

Anne-Mari: Zu erst ein paar Informationen zu meiner künstlerischen Forschung: Suistamo – Das Labor der Tradition [ist der Titel meiner Arbeit].

„Meine musikalische Doktorarbeit besteht aus fünf Kunstprojekten und Erläuterungen „Die Suistamo-Serie“. Die Suistamo-Konzerte experimentieren, kreieren, entwickeln, forschen und entgleisen. Man darf sie als eine Testplattform sehen, wo sich Künstler ermutigt fühlen sollen neue Techniken zu erkunden, bestehende Kompositionen zu verfeinern, neue Musik zu erschaffen und die Grenzen als Musiker an sich auszutesten.“

Also gründete ich das „Labor der Tradition“ mit dem Namen Suistamo und begann  meine Forschungen für meine Doktorarbeit im Herbst 2012. Über die Jahre wurde das „Labor der Tradition“ an vielen Orten in Finnland aufgeschlagen – Suistamo, Mynämäki, Kellokoski, Helsinki und Nokia gehörten unter anderem dazu. Diverse „Testpersonen“ aus verschiedenen Kunstbereichen waren involviert. Vom Theaterregisseur über bildende Künstler bis hin zu Eleconik-Folk-Musikern. Während der vier Jahre wurden erfolgreich (Kunst-)Werke geboren, die ein Resultat dieser interdisziplinären künstlerischen Zusammenarbeit sind.

Die Basis für die Arbeiten des „Labors der Tradition“ sind Aufnahmen von Ilja Kotikallio aus den Folklore-Archiven der Finnischen Literaturgesellschaft. Ilja Kotikallio (1894-1961) war traditioneller Musiker und Geschichtenerzähler aus der Gemeinde Suistamo in Karelien. Und es gibt wirklich viele Aufnahmen von Kotikallio. Mindestens 25 Stunden Geschichten erzählen und Musik.

In diesen Aufnahmen fand ich interessante Geschichten aus karelischen Feiern und auch traditionelle hypnotische Musik. Für mich ist Suistamo ein imaginärer Ort, wo die Suistamo-Traditionen aus dem frühen 20. Jahrhundert auf zeitgenössisches Folk-Musikerleben treffen. Die große Vielfalt stammt aus den Nachforschungen im Archivmaterial. So entstanden Konzerte, ein Kurzfilm, eine Fotoausstellung, sogar eine Komikausstellung, Musikvideos und CDs.

Im Moment spielst du in zwei „Bands“ und du hast auch ein Solo-Projekt veröffentlicht. Alles ist sehr unterschiedlich zueinander. Was bedeuten dir die Projekte persönlich und was haben sie gemeinsam?

Anne-Mari: Kurz gesagt: Puhti ist ein Musiktheater-Duo und Suistamon Sähkö ist eine Folktronic-Band. Und meine Solo-Projekt ist neue karelische Musik. Alle zusammen haben mein Akkordeon und meine Kompositionen gemeinsam. 

Puhti ist verrückt. Der einzigartige Sound von Puhti entsteht aus Akkordeon, Vocals und rhythmischem Stampfen. Seit Anfang an ist es ein Schlüsselelement die intensive, energetische und qualitative Folkmusik mit Tanz zu kombinieren und so eine neue Kunstform auf der Bühne zu erschaffen.

Suistamon Sähkö spielt neue karelische Tanzmusik mit Electronic, einem russischem Spielzeugakkordeon mit der Kraft von Gesang, Rap und manischen Bewegungen. Zusammen mit Eero Grundström haben wir als verrückte „Musik“-Wissenschaftler die neue Suistamo-Dancemusic entwickelt und haben zwei tanzende Sänger hinzugefügt. Der visuelle Folktronic-Act bringt dich dann letztendlich völlig dazu in die Trance zu tanzen.
Die Geschichten der Lieder sind inspiriert von Suistamos alten Stadtplänen, Wasserkraftanlagen und Mühlen, kratzenden Archivaufnahmen, Volksgedichten und den holprigen Straßen Kareliens. Grooviges Akkordeon, phantasievoller Einsatz von Samples, Folk- und HipHop-Einflüsse schaffen einen kompromisslosen Mix aus Danceparty und Kunst aus der Wildnis.

Welche Projekte würden dich in Zukunft reizen?

Anne-Mari: Gute Frage. Darauf habe ich noch keine Antwort. ;) 

Das kann ich verstehen. Danke, Anne-Mari!

Neben dem Album „KOMIA“ von Puhti hat Anne-Mari das Elektro-Folk-Album „SUISTAMO ELECTRICITY“ mit der Band Suistamon Sähkö aufgenommen und das Solo-Album „LAKKAUTETTU KYLÄ“. Alle Alben sind in Deutschland erschienen.

Mit Puhti kommt Anne-Mari nächste Woche auf Tour für 3 Konzerte.

Puhti on Tour – Termine

03.10.2016 Fürth Kofferfabrik
04.10.2016 München Trachtenvogel
05.10.2016 Ludwigsburg Die Fetzerei – Krone Alt-Hoheneck

Kategorie Musik, Buch & Film

In meinem Herzen schlägt eine Leidenschaft, die mich seit meinen Teenager-Tagen nicht mehr los lässt: FINNLAND. Eher ist es in all den Jahren schlimmer geworden und die Vermutung "das verwächst sich" oder "es ist nur eine Phase" lässt sich auch nicht mehr anbringen. Also blogge ich mir nun das Finnweh von der Seele und hoffe auf amüsierte und interessierte Leser.

3 Kommentare

    • Ja, finde ich auch… Vor allem dieser Reichtum an Kreativität. Toll, wenn sich Künstler mit einer Thematik so intensiv beschäftigen.
      LG Tine

  1. Ich war auf der Suche nach „modernerer“ Musik mit Akkordeon. Suistamon Sähkö begeistert mich von den beiden Projekten besonders, da ich ursprünglich überwiegend elektronische Musik mochte. Danke! Aufs Akkordeon bin ich über Ivan Hajek gestoßen. Als ich den bei YT mal gehört hab, hatte ich Gänsehaut. Seitdem frag ich mich, ob man z.B. Old School EBM mit Akkordeon Sounds kombinieren kann und wie das zusammen klingt. Suistamon Sähkö gibt mir einen ersten guten Eindruck.

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