Wenn der See gefroren ist: Outdoor-aktives Wintervergnügen in Lahti

Hinweis: Dieser Artikel erschien zuerst in NORDIS 1/19 und entstand in Zusammenarbeit mit der Region Lahti.

Um in Finnland die ganze Vielfalt des Wintervergnügens auszukosten, muss man sich nicht bis an den Polarkreis begeben. Nicht weit von Helsinki findet man die Wintersport verrückte Region Lahti, die neben Profisportler auch für aktive Urlauber und Winterbegeisterte abwechslungsreiche Möglichkeiten bereit hält Eis, Schnee und die Natur zu genießen.

Wenn man an Winter und Outdoor-Aktivitäten in Finnland denkt fällt den meisten Lappland ein. Doch wir befinden uns in der Region Lahti, rund eine Autostunde im Norden von Helsinki entfernt, das Tor ins Seenland, das im Sommer viele Besucher schon verzaubert hat.

Beim Thema Winterzauber steht die Region dem Sommer und auch dem Norden Finnlands in nichts nach. Vom adrenalinversprühenden Schnee Scooter-Trip bis hin zum meditativen Eisangeln oder ruhestiftenden Natur- und Waldwanderung – der Stundenplan für unseren Winterspaß ist abwechslungsreich und verspricht keine Langeweile aufkommen zu lassen. Besonders das Skifahren spielt traditionell eine große Rolle. Schließlich ist die Stadt Lahti weltweit für ihre Wintersportveranstaltungen bekannt. Dem ein oder andere kommen dabei selbstverständlich die Skisprungschanzen in den Sinn. Doch von so mancher Besonderheit darf man sich überraschen lassen.

„… und Action!“

Sie Jaulen, bellen und zerren! Die Senioren der Koirakikka-Farm werden mit ihren Geschirren an die lange gespannte Leine des Schlittens befestigt. Alles startklar! Kirsi, sie ist Musher des Gespanns, nimmt mich auf eine kleine Runde mit. Keiner der Vierbeiner ist jünger als 10 Jahre, dennoch sind sie wild und laufen wie die Jungspunde hinaus in die schneebedeckte Landschaft. Rasant biegen die erfahrenen Tiere um die Kurven, die ihnen mit Rufen angezeigt werden. Der Schnee wirbelt über den Schlitten hinweg. „Sie brauchen ihre Trainingsrunden bis in das hohe Alter, auch wenn sie es nicht mehr ganz auf Spitzengeschwindigkeit schaffen. Spaß haben sie dabei unbedingt.“, erklärt die Hundeführerin während der Fahrt.

„Wir haben hier einen Kindergarten und ein Seniorenheim für unsere Hunde“, wird mir lachend bescheinigt. „Unsere Erwachsenen Hunde fahre im Winter in Lappland. Dort ist einfach mehr Schnee“ Und tatsächlich: Huskies vermutet man in Südfinnland eher nicht. Mit rund 50-60 Tieren ist die Farm eine kleine Husky-Zucht. Die Besitzer kennen Ihre Tiere genau. Das ist auch wichtig für die Arbeit mit den restlichen fellbedeckten Mitbewohnern auf dem Gelände bei Heinola. Während die Kleinsten auf dem Areal frei toben dürfen und ihre Rennvermögen präsentieren, beäugt uns neugierig ein Wolf in seinem Gehege. Freudig leckt das Halbblut meinen Handrücken, den ich zögerlich beim Näherkommen entgegenstrecke. Überwältigend! Kirsi ist sehr innig mit dem beeindruckend großen Tier. Sie trainiert mit Wolf, Fuchs, Rentieren und Co. für das Fernsehen. Die Tiere sind also echte Stars, die schon so manchen Take in den Kasten gebracht haben.

Laut und leise auf schnellen Kufen

Mit einem Stunt verdächtigem Hops bewegt sich Aris Schneemobil aus dem Wald auf den wie eine erstarrte Wüste daliegenden gefrorenen See Päijänne und zieht den Abzug. Seine Kufen pflügen sich tapfer durch den eisigen Schneebelag und wir haben Mühe seiner Geschwindigkeit und ermunterndem Winken zu folgen. Der eisige Fahrtwind zieht zischend vorbei und wir brausen mit 80 km/h dahin. Dreißig Zentimeter Eis – mehr befindet sich nicht zwischen mir, dem Schneemobil und dem Wasser. Bei dieser Vorstellung schnellt der Adrenalinpegel in die Höhe. Das Szenario ist abenteuerlich, schließlich ist unsere heutige Rennstrecke, im Sommer ein Hindernis, das man oft mühevoll umfahren muss.

Wir knattern mit unserem Motorschlitten über die Eispiste, überwinden die scheinbar unsichtbar gewordene Grenze zwischen Wasser und Land. Ein Szenenwechsel: Wir schaukeln gemütlich mit dem dumpfen Viertakter über das Weiß wie Watte zwischen den Bäumen. Reizvoll wechseln sich die Bilder und das Tempo beim Scooter fahren ab: Von den verschneiten schlafenden Wäldern bis zum weiten Blick über den flachen ruhenden See. Ein Idyll ist jetzt die Gegend, wo man Wald, Stein und See nur durch unterschiedliche Pastell- und Weißtöne voneinander unterscheiden kann.

Unter dem Eis – auf dem gefrorenen See

 „Die Fahrzeuge sind übrigens besonders Umweltverträglich. Wegen der Nähe zum Nationalpark Päijänne müssen und wollen wir natürlich darauf achten, dass weder Öle, Treibstoff oder besonders dreckige Abgase in die Natur gelangen.“, klärt Ari auf als wir zurück zu seinem Mökkidorf der Sonderklasse kommen. „Sonst müssen die Helsinkier dreckiges Wasser trinken.“, ergänzt er. Tatsächlich speist Helsinki das Trinkwasser aus Finnlands zweitgrößtem See. Eine über 100 Kilometer lange Pipeline befördert das klare Wasser gen Süden.

Aris Familie lebt seit etlichen Generationen am Südende des Sees Päijänne und haben vor einigen Jahrzehnten schon die Idee für das Ferienresort Lehmonkärki gepflanzt. Heute kann man in einfachen bis luxuriösen Hütten rund um das Jahr dem Outdoor-Fun nachgehen. Ich freue mich schon auf die geheizte, wärmende Sauna nach dem Ausflug, sie gehört ja zu jedem Hüttchen dazu, und auch auf ein köstliches Menü, das Aris Frau Marjo für alle Gäste zubereitet.

Zuvor aber tauschen wir den Helm gegen einen Rucksack mit Angelrute, Kelle und Sitzvorrichtung. Das waten im tiefen Schnee auf dem See geht jetzt viel schwieriger noch als mit den schneidenten Kufen der Motorschlitten. An einer günstigen Stelle setzt Ari denn überdimensionierten roten Handbohrer an, kurbelt und hebt mit einer spektakulären Fontaine ein Eisloch aus dem darunter dunkel ruhenden See. Im gebührenden Abstand sitzen wir nun leicht gekauert auf dem meterdicken Eis.

Langsam sinkt der Köder samt Haken an der Leine in das tiefe Schwarz. Anfangs wird noch hier und da gesprochen, dann fokussiert man sich auf das schnippen des Nylonfadens und schließlich ist der letzte schwirrende Gedanke fort. So tiefgründig wie unsere Rute und so klar wie die Kälte legt sich die Stille nieder. Mediation auf Finnisch – das können Sie also auch.

Skifahren hat Tradition

Unsere – vom Anglerglück nicht beseelte – Ruhepause wird durch ein näherkommendes gleichmäßig sanftes Klacken und Kratzen gestört. Zwei Langläufer ziehen sich entlang der Küstenlinie durch die Loipe. Im Schlepptau folgt eine ganze Horde von sportbegeisterten Finnen, die hier ihre Winterferien ausnutzen. Die Saison für Winteraktivitäten beginnt in Südfinnland vermehrt im neuen Jahr. Die Tage sind dann auch etwas länger, die Temperaturen konstant unter Null und Frost wie Schnee liegt satt über der Landschaft.

Finnland ohne Schnee wäre einfach undenkbar. Daher ist das Langlaufen Volkssport Nummer eins. Und auch unsere neuen Freunde, kommen nicht nur im Sportlerdress daher. Mal in einem Kostüm mal in einer historischen Uniform. Was heute als Spaß gemeint ist, hat aber auch einen ernsten Hintergrund. Um die Bevölkerung nach den Kriegen fit und „einsatzbereit“ zu halten, förderte man schon ab den 1920er Jahren das Skilanglaufen in Schulen und Vereinen.

Darüber kann man in Lahti mehr erfahren. In der Stadtmitte, gleich am Fuße der Silhouette stiftenden Skisprungschanzen, freut sich das hiihtomuseo (Skimuseum) auf Besucher. In der modernen Ausstellung geht man detailliert auf die Historie des Skifahrens ein. Es ist interessant zu sehen wie sich die dünnen Bretter vom Fortbewegungsmittel hin zum Hightech-Sportgerät entwickelt haben. Modische Highlights dürfen dabei natürlich auch nicht fehlen.

„Die Verbindung der Stadt zu den Wintersportarten ist groß, denn seit 1926 wurden hier sieben Mal die Nordischen Skiweltmeisterschaften ausgetragen. Zuletzt 2017 – das war ein toller Event!“, schwärmt Anu Huusko, die mit mir durch die Sonderausstellung zum Thema schlendert.

Wie stolz man auf die Sportler und den internationalen Erfolg ist, verrät eine kleine Vitrine zum Ende des Museumsrundgangs. Zunächst unscheinbar birgt sie den wohl bedeutendste Schatz: Auf Hochglanz poliert prahlen dort die meisten Goldmedaillen aus internationalen Skiwettbewerben glanzvoll um die Wette. Die Finnen verehren ihre Sportler und feiern die Erfolge gerne, lassen aber so manches schwarze Kapitel nicht im Dunkeln und beleuchten es ehrlich.

Auf den Erfolgen der Vergangenheit ruht man sich allerdings nicht aus: Am Pajulahti Sportzentrum in Nastola, circa 20 Kilometer östlich von Lahti, trainieren seit jeher Athleten für die olympischen und paralympischen Spiele. Der finnische Olympiastützpunkt bietet Unterbringung, Sportstätten und Trainingseinheiten auch für ambitionierte Freizeitsportler an.

Winterwunderland auf eigenen Wegen

„Hört mal, ein Specht!“ Annukka bleibt unvermittelt stehen, hebt ihren Wanderstock in Richtung des Pickens. Gerade erst waren wir von der Loipe, die vom Pajulahti Sportzentrum herführte in den Wald abgebogen und Querfeld ein gelaufen. Abrupt wurde der gleichförmige Laufschritt der Schneeschuhe unterbrochen. Annukka ist in ihrem Element – Sie ist Naturführer und macht bei unserem Abenteuer abseits des Weges behutsam und begeistert auf Kleinigkeiten am Wegrand aufmerksam. Hier sind frische Hasenspuren, dort drüben hat ein Reh gefressen. Dann höheren wir immer wieder das Picken des Spechts im Wald verhallen. Beeindruckend, wie lebendig doch diese stille Jahreszeit ist. Ebenso eindrucksvoll ist Annukkas Orientierungssinn: Längst hätte ich mich in der herrlich winterlichen Waldlandschaft verirrt. Wie aus dem Nichts erscheint hinter einem Hügel ein märchenhafter Bach, der den Minusgraden mit sanftem, behutsamen dahinrinnen trotzt, um sich weiter hinten in steil bergab zu überschlagen. Friedvoll ist dieser Moment wo nur das Wasser durch die weiße Landschaft plätschert.

Einen kurzen Weg später sind wir wieder im Bannkreis der Zivilisation. An einer kleinen Feuerstelle findet unsere – wie ich jetzt merke – fordernde wie auch naturnahe Wanderung exemplarisch für eine bezaubernde Winterreise ihr geschmackvolles Ende mit warmen Saft und Blaubeergebäck.


Über REGION LAHTI

Die Provinz Päijät-Häme mit Lahti im Zentrum liegt idyllisch an den Seen Päijänne und Vesijärvi und ist das Tor zur finnischen Seenlandschaft. Auf rund 200 km Loipen bzw. Wanderwegen ist die gesamte Region für Outdoorfreunde gut gerüstet. Der Päijänne Nationalpark ist besonders imposant zu erkunden: eine Inselgruppe mit einem hochaufragenden Grad steht teilweise Wanderern zur Verfügung. Auch den „Most Scenic View“ Finnlands findet man in der Umgebung Lahtis. Auf dem Pulkilanharju (ein eiszeitlicher Wallberg) fährt beeindruckend eng zwischen den Gewässern hindurch.

Restaurants:

  • Bistro Popot
    Rautatienkatu 26, 15110 Lahti
    www.bistropopot.fi

Unterkunft:

  • Lehmonkärki Resort
    Auf einer Landzunge bei Asikkala liegt das Ferienresort. In fünfzehn unterschiedlichen Ferienhütten mit bis zu 15 Schlafplätzen können Familien, wie Gruppen einen erlebnisreichen Urlaub verbringen. Auch Firmen nutzen das Angebot in der finnischen Provinz gerne für Tagungen.
    Lehmonkärjentie 180, 17320 Asikkala; www.lehmonkarki.fi
  • Pajulahti Sportinstitut
    Wer gerne sportlich aktiv ist und in seinem Urlaub ein paar extra Trainingseinheiten einplanen möchte, der sollte sich eines der zweckmäßigen Zimmer oder Apartments in Pajulahti sichern. Mit olympischem Spirit kann man hier auf fundierte Trainingsvoraussetzungen hoffen. Neben einem sportlerfreundlichen Buffet und dem zu gang zu den Sportstätten gibt es auch Entspannungseinheiten mit Faszienrolle & Co zur Regeneration. Der Clue: Besonders Sportler mit Handicap sind herzlich willkommen.
    Pajulahdentie 167, 15560 Nastola; www.pajulahti.com
Kategorie Blogarchiv, Outdoor & Natur, Seenland

In meinem Herzen schlägt eine Leidenschaft, die mich seit meinen Teenager-Tagen nicht mehr los lässt: FINNLAND. Eher ist es in all den Jahren schlimmer geworden und die Vermutung "das verwächst sich" oder "es ist nur eine Phase" lässt sich auch nicht mehr anbringen. Also blogge ich mir nun das Finnweh von der Seele und hoffe auf amüsierte und interessierte Leser.

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