Eiszeit, Dünen und Geschichten von grummeligen Riesen: Naturerlebnis Rokua Geopark

Der Rokua-Geopark ist das einzige UNESCO-Weltkulturerbe im Norden Finnlands. Seine Geschichte beginnt in der letzten Eiszeit, die außergewöhnliche Spuren hinterlassen hat: In drei ganz unterschiedlichen Landschaften, auf 1326 km² entlang des Oulujoki, im Oulujärvi und in den verzaubernden Dünen des Rokua Nationalparks, erlebt man eine unglaubliche Natur angereichert mit Kulturgeschichte und zahlreiche Anekdoten. Die Bloggerkolleginnen Michaela (mahtava.de) und Sina (nordlandfieber.de), meine „Pikkuinen“ und ich haben dieses eher unbekannte Fleckchen Finnland besucht und vieles zu berichten.

Von Kainuus Meer und Riesen

Was muss das für ein ungeheureres Platschen gewesen sein, als eines Tages die Insel Manamansalo mitten im Oulujärvi entstand. Die 76 km² große Insel teilt den Oulujärvi fast in zwei Teile und markiert das östliche Ende des Rokua Geoparks.

Die Entstehungsgeschichte der Insel ist sagenumwoben: Soll doch ein Goblin, wütend über die sich verbreitende Christenheit, ein Stück Land bei Kivesvaara herausgerissen und in den Oulujärvi geschmissen haben. Ein andern Mal sollen es zwei Riesen gewesen sein, die ein Stück Land Richtung Westen trugen. Einer von ihnen wurde müde und fluchte, dass doch Hiisi das Land alleine weiter tragen könnte. So blieb das Stück Land eben genau dort liegen wo es heute noch ist – und das ist auch gut so!

Die abfallende Steilküste entlang des rund 9 km langen Rundwanderweg am nördlichen Zipfel Manamansalos ist nämlich atemberaubend. Etwas mulmig wird es einem schon, wenn man hinab zum See blickt, der sich Welle um Welle den Sand der Insel einverleibt. Vom Grübeln über dieses Szenario lenkt jedoch sofort die unendlich weite Aussicht über das „Meer von Kainuu“, den Oulujrävi, ab. Eine Wasserfläche die bis zum Horizont reicht und zweimal So große wie der Bodensee ist (rund 900 km²). Ein Refugium für Vögel die auf einer der 650 Inseln brüten und sich, nebst Anglern, an den reichen Fischbeständen bedienen können. Ein in Finnland einzigartiges Naturerlebnis. Besonders die Hechtfangeuropameisterschaft, bei der die Teilnehmer alles geben.

Nutshell Rokua Geopark: Eiszeit und Geographie

Eines war den Menschen der Gegend auch schon früher klar: Hier müssen unheimliche Kräfte die Landschaft geprägt haben. Die eigentliche Sandachse geprägt durch die Eiszeit quert Finnland in einem Bogen von Ilomantsi in Nordkarelien bis in den Norden nach Oulu. Und auch wenn die Region um den Oulujärvi für ihre großen Menschen angeblich bekannt sein soll, Riesen oder Goblins waren hier wohl eher nicht am Werk.

Vor rund 25.000 Jahren drückte rund 2-3 km hoch das Gletschereis auf das Grundgestein und hobelte, schliff und mahlte dabei langsam fließend Gestein zu feinstem Sand. Durch seine ständige Bewegung und den späteren Rückzug des Eises blieben an unterschiedlichen Stellen Sand, Geröll, gigantische Findlinge und Eisbrocken zum Liegen. Auf dem Gebiet des Rokua Geoparks findet man deshalb eine unglaubliche Vielfalt an geologischen Besonderheiten, die nicht nur in Finnland sondern weltweit einzigartig sind und die es zu entdecken gilt! Eiszeitliche Geologie in einer Nussschale. – Rokua Geopark – DE

Rokua Nationalpark: Dünen, Toteiskessel und Pilzssammlerparadies

Auf der Rückbank unseres Kombis fühlen sich die leichten Drifts auf der vermeintlich „schnellsten Route“ mitten durch die sandige Landschaft eher abenteuerlich an. Zu gegeben – dort wo man wenigsten einen gutgepflegten Schotterweg vermutet hätte, rieselt Sand auf den „Weg“ und ehe wir uns versehen sind wir mitten in den Hügeln der Eiszeit unterwegs, um mit Atte, dem Naturguide, die prähistorische Naturformationen kennenzulernen.

Mit nur ca. 18 km² ist der Rokua Nationalpark einer der kleinsten seiner Art in Finnland und befindet sich im Herzen des Rokua Geoparks. Der bereits 1956 eingerichtete Nationalpark lässt schon bei der Anfahrt staunen: Nämlich dann, wenn die Kiefern jenseits von Lappland plötzlich zierlich und kümmerlich wachsen und an den offenen stellen des Flechten bedeckten Bodens feinster Sand herausrinnt. Tatsächlich befinden sich an einigen stellen im Nationalpark bis zu 100 Meters Sand auf dem bloßen Grundgestein. Die Wälder – Bäume, Flechten und Pilze – können auf keinen Mutterboden zurückgreifen und wachsen denn noch auf den Überbleibseln der Eiszeit: Während des Rückzugs des Eisschelfs hat diese nicht nur Gestein zu Sand zerrieben und ihn in dieser Region besonders üppig aufgehäuft, auch gigantische abgekalbte Eisbrocken ließ der Gletscher zurück. Diese schmolzen im Dünensand und sind heute noch als sog. Toteiskessel – also kleine rundliche Seen – erkennbar. Manche wurden auch zu Mooren. Fast wie „riesige Pfützen“ unserer fabelhaften Freunde.

Für Naturliebhaber bietet der Rokua Nationalpark neben einem zentralgelegenen Sport- und Spa-Hotel, auch eine Fülle an Aktivitäten: Vom Jedermannsrecht sollte man auch in diesem Nationalpark unbedingt Gebrauch machen: Nicht nur, dass man hier im Spätsommer und Herbst ausgiebig Beeren und Pilze sammeln kann (uns war es leider nicht vergönnt). Besonders Angler kommen auf den Eiszeit-Seen auf ihre Kosten und Familien und Menschen mit Einschränkungen laden entspannte Naturbeobachtungen und entsprechende Wanderwegen zum Naturerlebnis ein. Ein Naturguide wie „Atte“, der eigentlich Juha Aitta heißt und auch beeindruckend kunstfertig Angelwobbler aus Holz herstellt, kann euch individuell die Besonderheit der Natur entsprechend eurer Interesse nahebringen. So kann es schon einmal sein, dass man auf einem wundervoll dahintreibenden Steg die finnische Vogelwelt beobachtet oder erfährt, dass hier die Flechten so wundervoll wachsen, weil es keine Rentiere gibt, die sie verbeißen. Die magische Rentiergrenze beginnt nämlich gerade einmal bisschen mehr als 10 km nördlich vom Geopark.

Übrigens: Auch ein Trailrunning- und Mountainbiking-Event findet in dieser bezaubernden Landschaft jährlich statt. Und auch eine befestigte Straße führt zu den Ausgangspunkten direkt in die Natur. ;)

Wildes Wasser

Gigantische Seen, rundliche Kessellöcher, Dünen, Moore, Findlinge und Steilküsten – über Jahrmillionen formte dir Natur den heutigen Rokua Geopark – der nach einem längeren Auswahlverfahren 2010 in das Netzwerk der Europäischen Geoparks aufgenommen wurde. Zur Ernennung durch die UNSECO gehört aber unbedingt auch der Oulujoki, der aus dem See Oulujärvi entspringt und in die Ostsee bei Oulu mäandert. Als sich vor rund 9.500 Jahren die Landmassen nach der Eiszeit heben, trennt sich der Oulujärvi von der heutigen Ostsee ab und der Oulujoki entstand.

„Heute ist der Fluss groß und breit, weil er für die Elektrizität aufgestaut wurde, aber damals floss er wild über viele Stromschnellen schnell und laut vorbei. Er war für Touristen, Lachse und Teerboote gemacht, die hier gleichermaßen vorbei kamen.“ berichtet Asko vom Marilä Kartano, der schon in der x-ten Generation das niedliche B&B am Oulujoki bei Utajrävi betreibt. Tatsächlich war der Fluss tausende Jahr eine wichtige Reise- und Handelsroute von Kajaani nach Oulu. Sie mussten etliche Male, so auch hier in Merilä, umsteigen, da die Dampfschiffe die Stromschnellen nicht passieren konnten. Die Touristen rasteten hier und ließen sich unter anderem Limonade schmecken, bezeugt eine über hundert Jahre alte Zeitungsanzeige über das Merilä Kartano.

Die Flößer der Teerboote aus Kainuu durften nur mit Genehmigung die reißenden Kaskaden passieren und kamen dabei an idyllischen Orten wie der Lamminaho-Farm vorbei. Idyllische Gutshöfe und bestelltes Ackerland, saftige Felder und weidenden Kühe, prägen hier das Bild. Der Rokua Geopark macht mit GEOfood, lokal produzierten Produkten und Köstlichkeiten, geographiebedingte Kulturhistorie erlebbar und essbar. So wird der Besuch im Outdoorparadies zum ganzheitlichen Naturerlebnis.

Der Geopark Rokua ist ein Mosaik aus unterschiedlichen Naturschauspielen, hervorgebracht von Eis, Wasser, Wind und geologischer und menschlicher Hand. Ein sprichwörtlich verwunschenes Tal das vielleicht doch von Riesen bewohnt, jedem ein spanendes Outdoor- und Naturerlebnis offenbart und tief in die Eiszeit schmecken lässt.

Der Besuch des Rokua Geoparks, dieser Artikel und VBlog sind in freundlicher Zusammenarbeit mit Geopark Rokua entstanden. Kiitos!